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Bern, Der Bundesrat will die Prämienbelastung für die Menschen in der Schweiz
dämpfen. An seiner Sitzung vom 19. August 2020 hat er ein zweites Massnahmenpaket
beschlossen, mit dem er die medizinische Versorgung weiter verbessern und das Kostenwachstum
im Gesundheitswesen bremsen will. Das Sparpotenzial beträgt rund eine Milliarde Franken. Die
Vernehmlassung dauert bis zum 19. November 2020.
Mit dem vorliegenden zweiten Paket setzt der Bundesrat seinen Entscheid vom 20. Mai 2020
um, einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für tiefere Prämien - Kostenbremse im
Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)» der Christlich-Demokratischen Volkspartei (CVP)
vorzulegen.
Als zentrale Massnahme will der Bundesrat für die obligatorische Krankenpflegeversicherung
(OKP; Grundversicherung) eine Zielvorgabe einführen. Dabei legen Bund und Kantone jährlich
fest, wie stark die Kosten wachsen dürfen, zum Beispiel bei den stationären Spitalbehandlungen,
den ambulanten Arztbehandlungen oder den Arzneimitteln. Sie beziehen dabei die wichtigsten
Akteure mit ein. Die Akteure bestimmen in erster Linie, welche Massnahmen zu ergreifen sind,
wenn die Vorgaben überschritten werden. Patientinnen und Patienten haben jedoch stets
Zugang zu allen Leistungen der OKP. Heute fehlen systematische Überlegungen dazu, welches
Kostenwachstum in den einzelnen Bereichen angemessen ist. Die Zielvorgabe erhöht die
Transparenz, stärkt die Verantwortung und reduziert medizinisch unnötige Leistungen.
Die Zielvorgabe erfüllt auch die Anliegen der «Kostenbremse-Initiative» der CVP und zeigt
zusätzlich auf, wie die vorgegebenen Wachstumsziele erreicht werden können, ohne dass eine
Rationierung von medizinisch nötigen Leistungen stattfindet.
Koordination verbessern
Der Bundesrat will zudem mit drei Massnahmen die Koordination stärken, um unnötige
Behandlungen zu vermeiden und damit die Qualität der Versorgung zu erhöhen. Alle Menschen
in der Schweiz sollen eine Erstberatungsstelle wählen, an die sie sich bei gesundheitlichen
Problemen zuerst wenden, zum Beispiel eine Hausärztin oder einen Hausarzt, eine HMO-Praxis
oder ein telemedizinisches Zentrum. Diese beraten die Patientinnen und Patienten, behandeln
sie selber oder weisen sie an spezialisierte Ärztinnen und Ärzte weiter. Modelle mit
eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer wie das Hausarztmodell haben sich bewährt und
sind heute breit akzeptiert.
Eine zweite Massnahme zur Stärkung der Versorgungsqualität sind Netzwerke zur koordinierten
Versorgung. Darin schliessen sich Fachleute aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen
zusammen und bieten medizinische Betreuung aus einer Hand an. Davon profitieren
insbesondere Patientinnen und Patienten mit mehreren chronischen Krankheiten wie Diabetes,
Herzleiden und Arthrose. Sie werden über die gesamte Versorgungskette professionell begleitet.
Heute führen zahlreiche Schnittstellen und unstrukturierte Einzelmassnahmen zu Mehraufwand
und zu Fehlern in der Behandlung. Weiter ermöglichen auch koordinierte Programme mit der
Beteiligung verschiedener Fachleute über den ganzen Behandlungsprozess eine verbesserte
und effizientere Versorgung, zum Beispiel für einzelne chronische Krankheiten wie Diabetes oder
für Präventionsprogramme gegen Darmkrebs. Der Bundesrat will die Voraussetzungen für die
Kostenübernahme solcher Patientensteuerungsprogramme regeln.
Preismodelle bei Arzneimitteln
Der Bundesrat will schliesslich einen raschen und möglichst kostengünstigen Zugang zu
innovativen, teuren Arzneimitteln sichern. Dazu soll die bereits bestehende Praxis von
Vereinbarungen mit Pharmaunternehmen, sogenannte Preismodelle, auf Gesetzesstufe gefestigt
werden. Dabei müssen Pharmaunternehmen einen Teil der Kosten an die Versicherer
zurückerstatten. Es werden insbesondere Preismodelle mit Rückerstattungen auf den Preis, auf
Umsatzvolumen oder aufgrund fehlender Wirkung festgelegt.
Das Paket umfasst noch weitere Massnahmen: die differenzierte Prüfung der Wirksamkeit,
Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln, Analysen sowie Mittel- und
Gegenständen, die Einführung von fairen Referenztarifen, um den Wettbewerb unter den
Spitälern sicherzustellen sowie die Verpflichtung, Rechnungen elektronisch nach einheitlichen
Standards zu übermitteln.
Eine Milliarde Franken Einsparungen
Das Sparpotenzial der Massnahmen beträgt rund eine Milliarde Franken. Dies entspricht rund
drei Prämienprozenten. Den grössten Beitrag dazu leisten die Zielvorgabe und die Einführung
einer Erstberatungsstelle. Aufgrund von Erfahrungen mit verschiedenen Versicherungsmodellen
ist bei der Erstberatungsstelle mit Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken zu
rechnen. Wie stark das Kostenwachstum effektiv gedämpft werden kann, hängt von der
Umsetzung der Massnahmen ab.
Das Kostendämpfungsprogramm
Der Bundesrat hat im März 2018 ein Kostendämpfungsprogramm verabschiedet, das zwei
Gesetzgebungspakete beinhaltet. Das erste Paket wird derzeit im Parlament diskutiert und
beinhaltet unter anderem die Einführung eines Experimentierartikels, die Schaffung einer
nationalen Tariforganisation und ein Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel.
Das Sparpotenzial beträgt mehrere hundert Millionen Franken. Das zweite Paket ist bis am 19.
November in der Vernehmlassung.
Der Bundesrat hat in den letzten Jahren bereits verschiedene Massnahmen ergriffen, um den
Anstieg der Gesundheitskosten zu dämpfen, etwa bei den Arzneimittelpreisen, dem Ärztetarif
Tarmed oder der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL). Auch dank diesen Massnahmen lag der
Prämienanstieg in den letzten zwei Jahren unter dem Durchschnitt.
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