Wallisellen (ots) - Keine Atempause: Die Alterung der Gesellschaften schreitet mit unvermindertem Tempo
voran - trotz Corona. Geschäftiger Stillstand: Rentensysteme weltweit gleichen einer grossen
Dauerbaustelle ohne Aussicht auf baldige Fertigstellung - obwohl nur wenige Länder für die kommenden
demographischen Veränderungen gewappnet sind. Umdenken: Die gesellschaftliche Neubewertung der
Arbeit ist die zentrale Stellschraube für das Rentensystem der Zukunft. Das schweizerische Rentensystem
steht relativ gut da (Gesamtnote 3,1) - der Ausblick erfordert jedoch eine weitere Stärkung der
Nachhaltigkeit.
Die Allianz hat heute die zweite Ausgabe ihres "Global Pension Report" vorgestellt, der mit Hilfe des
eigenen "Allianz Pension Indexes" (API) 75 Rentensysteme rund um den Globus analysiert. Der Indikator
besteht aus drei Säulen: Analyse der demographischen und fiskalischen Ausgangslage sowie Bestimmung
der Nachhaltigkeit (z.B. Finanzierung und Beitragszeiten) und Angemessenheit (z.B. Verbreitungsgrad und
Rentenhöhe) des Rentensystems. Insgesamt werden 40 Parameter berücksichtigt, mit Werten zwischen 1
(sehr gut) und 7 (sehr schlecht). In der gewichteten Summe aller Parameter kristallisiert sich die
Bewertung des jeweiligen Systems in einer Gesamtnote. Keine Atempause Die
Corona-Pandemie hat in vielen Ländern zu einem Rückgang der Lebenserwartung geführt; in einigen
wenigen konnte sogar ein (kleiner) Babyboom registriert werden. Allerdings ist dies nur eine kurzfristige
Unterbrechung des unvermindert anhaltenden und sich beschleunigenden Trends der gesellschaftlichen
Alterung, ablesbar am globalen Altersquotienten: bis 2050 soll er von heute 15,1% auf 26,3% klettern;
2019 war ein Anstieg auf "nur" 25,3% prognostiziert worden. "Die jüngsten Daten beispielsweise aus
China, Korea oder Italien deuten auf eine weitere Beschleunigung des demographischen Wandels hin",
sagte Michaela Grimm, Mitautorin des Reports. "Insbesondere die Geburtenzahlen entwickeln sich
schlechter als angenommen, trotz aller familienpolitischen Anstrengungen. Aber es hilft kein Lamentieren,
sondern wir müssen den Tatsachen ins Auge schauen: Der Generationenvertrag ist brüchig geworden.
Gerade die jüngeren Generationen Y und Z sind gefordert, (noch) stärker selbst fürs Alter vorzusorgen.
Die unbequeme Wahrheit lautet: Sie werden länger arbeiten müssen sowie mehr und fokussierter sparen."
Geschäftiger Stillstand Die ungewichtete Gesamtnote für alle untersuchten
Rentensysteme beläuft sich auf 3.6: kaum mehr befriedigend. Gegenüber dem letzten Report von 2020
stellt dies nur eine kleine Verbesserung dar. Auf der einen Seite ist dies wenig überraschend: Nach
Corona, Krieg und Energiekrise hat sich der fiskalische Spielraum der allermeisten Länder noch einmal
deutlich eingeengt. Auf der anderen Seite aber sehr enttäuschend: die Notwendigkeit von Rentenreformen
steht nicht in Abrede, doch der Rhetorik folgen nur selten kraftvolle Taten: die Arbeit auf der
Rentenbaustelle kommt nicht voran. Tatsächlich haben es nur wenige Länder - wie beispielsweise
Frankreich oder China - geschafft, ihr Scoring durch Reformen deutlich zu verbessern. Frankreich
verkörpert dabei nahezu exemplarisch das politische Dilemma solcher Reformen, da sie die übliche
politische Ökonomie auf den Kopf stellen: Statt Wohltaten heute zu verteilen gegen Zumutungen später,
erfordern sie Zumutungen heute, um spätere Einschnitte zu vermeiden. Die wenigen Rentensysteme, die
heute gut dastehen - vor allem Dänemark, die Niederlande und Schweden mit einer Gesamtnote deutlich
unter 3 -, haben daher auch eine Sache gemeinsam: Sie haben die Weichen sehr früh auf Nachhaltigkeit
gestellt, zu einer Zeit, als die demographische Bombe noch leise tickte. Sie können daher als Vorbild für
viele Entwicklungsländer gelten, die ebenfalls noch über ein Zeitfenster zur Stabilisierung ihrer
Rentensysteme verfügen. In vielen anderen Ländern dagegen wird es ohne schmerzhafte Reformen kaum
gehen. Umdenken Neben den technischen Details wie beispielsweise
Beitragshöhe und -zeiten gibt es eine zentrale Stellschraube für nachhaltige und angemessene
Rentensysteme: den gesellschaftlichen Wert der Arbeit. "Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche
Intelligenz ermöglichen den universellen Zugang zu Bildung und damit neue Arbeitskonzepte. Die
Auflösung der starren Zweiteilung in Erwerbstätigkeit und Ruhestand ist derzeit nur für wenige Privilegierte
gegeben. Das Rentensystem der Zukunft beginnt damit, die Welt der Bildung und Arbeit für alle neu zu
denken", sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. Schweiz im Mittelfeld
Mit einer Gesamtnote von 3,1 rangiert das schweizerische Rentensystem im oberen Mittelfeld. Angesichts
des demographischen Ausblicks - der Altersquotient wird bis 2050 auf 50,9% steigen - ist allerdings kein
Platz für Selbstgefälligkeit. Insbesondere die Nachhaltigkeit des Systems gilt es weiter zu stärken. Höhere
Beiträge und vor allem höhere Rentenalter sollten kein Tabu sein; schliesslich werden die Schweizer
Pensionäre in Zukunft nahezu 25 Jahre im "Ruhestand" verbringen können. Monika Behr, Leiterin Leben
und Mitglied der Geschäftsleitung der Allianz Suisse, ergänzt: "Die Altersvorsorge in der Schweiz steht
auch nach der AHV-Reform vor grossen Herausforderungen. Die geplante BVG Revision ist zwingend
nötig, um die Attraktivität unseres Vorsorgemodells zu stärken und die langfristige Stabilität zu sichern -
andere Länder haben deutlich raschere Fortschritte erzielt. Gerade die Umverteilung von Berufstätigen zu
Pensionierten ist im Sinne der Generationenfairness dringend zu stoppen. Zusammen mit der besseren
Berücksichtigung der Situation von Teilzeiterwerbstätigen im BVG sind das zentrale Punkte, die gelöst
werden müssen." Die Studie finden Sie hier: Economic Research |
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